Sonntag, 6. September 2015

Südwärts nach Santos

31. August, es ist schon nachts, wir sind so gegen 21h aus Rio ausgelaufen, warm und noch fast Vollmond. Zur Entspannung ein letzter Swim im Schiffspool, Blick auf die Skyline von Rio (wenn ich den Kopf sehr strecke...)

Rund um den Zuckerhut, also raus aus der Bucht - und die Temperatur ist schon um ein paar Grad niedriger.
Eigentlich sollen wir dann am nächsten Morgen um 9.00 den Lotsen in Santos an Bord nehmen und in den größten Hafen Lateinamerikas einlaufen.

Wir liegen in der Früh schon auf Reede, rundherum hab ich 35 andere grosse Frachtschiffe gezählt. Oelglattes Wasser, kein Lüftchen, kaum Schwell, herrlich warm.
Der Lotse soll um 11 kommen. Wir warten.
So um halbelf sehen wir im Norden eine weisse Wolkenwalze entstehen, ein interessantes Schauspiel, zunächst ohne Bedeutung.


Die Crew hat gerade Drill, beide Rettungsboote werden runtergelassen, die Stahlseile gefettet; ein Offizier überprüft, ob alles funktioniert - ist ja die Lebensversicherung...
Wir liegen auf dem Passagier-Sonnendeck, das Wasser im Pool ist allerdings ausgelassen worden.



Plötzlich ein Windstoss, ich würde sagen von 0 auf 5 Beaufort in 30 Sekunden. Das eine Beiboot, das noch unten hängt, beginnt zu schwanken, es wird rasch wieder raufgezogen.
 
Kein Lotse an Bord.

Kais auf über 8km Länge, neu und alt, groß und klein...
Zu Mittag informiert uns der Kapitän, dass der gesamte Hafen von Santos wegen Sturms geschlossen wurde, er rechne nicht vor Mitternacht mit dem Einlaufen.
Das Wetter verändert sich rasch - mit Sonne sind wir in die Offiziersmesse essen gegangen, bei tiefliegenden Wolken und Nieselregen kommen wir wieder an Deck...
Der Nachmittag wird mit Reiseplanung und Sichtung der Bilder sinnvoll genutzt.
Überraschend geht es dann schon um 19h weiter, wir können nach Santos einlaufen. Feiner Niesel begleitet uns, wir fahren ca. 1 Stunde den diversen hell erleuchteten Kais entlang, im Hintergrund sind abwechselnd Hochhäuser und Bretterbuden zu erkennen...

Bereitwillig erklärt mir der 1. Offizier warum wir 3 rote Lampen auf dem Mast führen: eine daven, weil wir Gefahrengut geladen haben (was auch immer...), die zwei übereinander, weil wir viel Tiefgang haben und daher im Hafenbecken nur bedingt manövrierfähig sind.

Unser Liegeplatz ist im Containerhafen, offenbar im hintersten Teil dieser schmalen, langen Bucht, auf der Seekarte sieht es wie ein Fjord aus.


Gaby im Regen - im Hintergrund der "Privatwald"
Direkt hinter dem Heck haben wir etwas "privaten" Mangrovensumpf (Gaby wird gleich von ein paar Moskitos begrüßt!), dahinter ein weiter Containerterminal mit riesigen Schiffen am Kai.
Bei nächtlichem Regen beginnt das Ausladen, zuerst das riesige Teil von Palfinger, das bei jeder Station als erstes mit viel Gefuehl von Bord gebracht werden musste - nun hat es das Ziel erreicht. Marek, der 1. Offizier ist erleichtert (und ein wenig stolz, dass das insgesamt ohne Kratzer und Delle abgegangen ist...).
Wir verbringen eine ruhige Nacht, an ein Rausgehen ist nicht zu denken - und einen offenen Internetzugang finden wir auch nicht...





Vormittags werden noch eifrig Fiat-Kombis eingeladen, ein paar Container werden aufs Vordeck geschupft und um die Mittagszeit geht es dann wieder raus:
teilweise bei Nieseln, teilweise nur drohende Wolken über uns, langsam wird der gewaltige Hafen an uns vorübergezogen. Schiffe jeder Bauart und aus allen Kontinenten liegen hier, Sao Paulo mit seinen rund 20 Millionen Einwohnern ist nur 50km entfernt...

Als sich die Bucht öffnet - die Ausfahrt hat rund eine Stunde gedauert! -, eine Überraschung: Kräftiger Schwell aus Süden!
Gaby kapituliert rasch und rollt sich zu einem Schläfchen auf der Sitzbank in der Offiziersmesse zusammen (dieser Raum neben den Speisetischen wurde von uns Passagieren im Laufe der Wochen okkupiert, keine Ahnung ob sich dort sonst die "Oberschicht des Schiffes" zum Plausch versammelt...).

Abends zeigt uns Lothar aus seinem umfangreichen Filmfundus etwas passendes: Ein junger Norweger fährt mit seiner kleiner Segelyacht von Norwegen ans Kap Hoorn, trifft in Ushuaia zwei Typen, die er noch mitnimmt und dann geht es zu dritt für drei Monate in die Antarktis. Ich glaube, der Trip wäre nix für uns gewesen...

So, waehrend ich das schreibe - es geht gleich zum Mittagessen - kommt die Sonne wieder hervor, der Schwell nimmt etwas ab, der Kapitän hat aber eben gesagt, die antarktische Strömung bringt eiskaltes Wasser nordwärts, den Pool wird er daher nicht mehr füllen....

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